Perfekter Kompromiss zwischen Mobilität und Stabilität

Das Schultergelenk ist jenes Gelenk im menschlichen Körper, das den größten Bewegungsradius hat. Diese Beweglichkeit wird erlaubt durch die spezielle Bauform des Schultergelenkes. Es ist anders als andere Gelenke im menschlichen Körper vornehmlich durch Kapseln, Bänder und Muskeln stabilisiert und erreicht dadurch seinen großen typischen Bewegungsausschlag.

Durch die im Verhältnis zum Oberarmkopf kleine Gelenkspfanne und die an ihr angelagerten Anteile der Gelenkskapsel, dem Labrum und den Bändern, ist es mit der Schulter möglich, große Bewegungsradien zu erzielen. Dies hat uns in unserer gesamten Entwicklung vom Primaten zum Menschen viele Vorteile gebracht.

Das Werfen von Objekten ist bereits bei Primaten bekannt. Doch wo liegt der Unterschied in der Art zu werfen zwischen dem Menschen und unseren Vorfahren? Ausschließlich der Mensch ist in der Lage ein Objekt mit hoher Geschwindigkeit und Genauigkeit zu werfen. Diese Erkenntnis hat uns in der Entwicklung vom Primaten zum Menschen bevorzugt. Durch das gezielte Werfen änderten sich die Art zu jagen und damit die Ernährungsgewohnheiten. Protein- und fettreichere Nahrung veränderten die Entwicklung der Muskulatur und des Gehirnes so, dass die Entwicklung zum Menschen ermöglicht wurde.

Was unterscheidet die Geschwindigkeit und Wurfgenauigkeit zwischen Schimpansen und Menschen?

Bereits ein zwölfjähriges Kind kann einen Baseball mit ca. 90 km/h werfen. Ein ausgewachsener Schimpanse kann den gleichen Ball nur auf 30 km/h beschleunigen. Aus diesen Messungen können grundlegende Unterschiede in der Wurfmechanik abgeleitet werden.

Der Hauptunterschied liegt darin, dass es dem Menschen möglich ist, Energie im Schultergelenk zu speichern und wie eine Schleuder blitzartig durch die Wurfbewegung abzurufen (ähnlich zu einem Katapult). Auch die Position des Schulterblattes im Raum unterscheidet sich deutlich von der Position des Schulterblattes eines Schimpansen. Die Orientierung des menschlichen Schulterblattes ist deutlich mehr zur Seite als im Vergleich zum Schulterblatt eines Schimpansen.

Darüber hinaus ist der Mensch in der Lage, durch diese Orientierung des Ellbogens wie eine Schleuder nach rückwärts zu rotieren und damit die maximale Energie für den Wurf zu speichern. Die Lebensumstände heute haben das Jagen „durch den Wurf “ unnötig gemacht. Daher kommen gewisse Bewegungen, für die unser Schultergelenk konzipiert wurde, nicht zum Einsatz.

Der wesentliche Unterschied dieser ursprünglich definierten Bewegung für die Jagd ist, dass diese sportlichen Schulterwurfbewegungen mehrfach bis zu hunderte Male in kurzer Zeit wiederholt werden. Verletzungen der Gelenkskapsel, der Muskulatur und des Gelenksknorpels sind die Folge und enden nicht selten in einer schmerzhaft eingeschränkten Beweglichkeit des Schultergelenkes.

Verletzungen des Schultergelenkes sind bereits in der Geschichte vor vielen hundert Jahren dokumentierte medizinische Herausforderungen. So wurde bereits von Hippokrates im 5. Jahrhundert vor Christus (BC) die Reposition (einkegeln) eines ausgerenkten Schultergelenkes beschrieben. Gerade die Behandlung eines instabilen Schultergelenkes hat sich innerhalb der letzten Jahrzehnte einem extremen Wandel unterzogen.

Unabhängig von den operativen und diagnostischen Möglichkeiten sind Grundsätze der medizinischen Heilbehandlung seit jeher unverändert.

Der Arzt muss ein Verständnis für die Art der Verletzung des Schultergelenkes und damit auch einen systematischen Zugang zur Behandlung der individuellen Verletzung haben. Unterschiedliche Strukturen ermöglichen den Bewegungsradius wie auch die Stabilität des Schultergelenkes und beeinflussen bei Beschädigung die Schulterfunktion:

Perfekter Kompromiss zwischen Mobilität und Stabilität

Folgende Strukturen müssen in das Behandlungsregime eines instabilen Schultergelenkes einbezogen werden:

1. Der Kapsel- und Bandapparat.

2. Der Knochen (Schulterblatt und Oberarmkopf).

3. Die Rotatorenmanschette (die umgebende Muskulatur des Schultergelenkes).

Überbeanspruchungen oder akute Verletzungen können jede dieser drei Strukturen schädigen.

Add 1. Kommt es zu einer Schädigung des Kapselbandapparates, so ist es wichtig zu verstehen, ob sich diese Verletzung über eine immer wiederkehrende Folge an Bewegung aufgebaut oder durch eine abrupte plötzliche Verrenkung eingestellt hat.

Dies ist deshalb so wichtig, da die Behandlungsalgorithmen für diese beiden Formen der Kapselbandschädigung vollständig unterschiedlich sind. Wird jedoch der falsche Weg in der Behandlung eingeschlagen, ist ein Umkehren kaum möglich und das Ergebnis schwer beeinflussbar.

Add 2. Ähnlich verhält es sich bei Verletzungen von Knöchernen Strukturen. Die Gelenkspfanne aber auch der Oberarmkopf können betroffen sein. Verletzungen der Gelenkspfanne müssen genau beurteilt werden, da diese ab einer gewissen Größe ein instabiles Schultergelenk zur Folge haben. Werden Verletzungen dieser Art übersehen, sind nicht nur Schmerzen, sondern auch deutlich eingeschränkte Bewegungen und ein Kontrollverlust bei Wurfbewegungen die Folge.

Add 3. Die Muskulatur, die das Schultergelenk umgibt, wird als Rotatorenmanschette bezeichnet. Es handelt sich um vier Muskeln, die sich im vorderen oberen und hinteren Anteil des Schultergelenkes befinden. Immer wiederkehrende Wurfbewegungen, aber auch traumatische Verrenkungen des Schultergelenkes, können diese Muskulatur verletzen. Es ist wichtig, dass durch die Anamnese einerseits, aber auch die klinische Untersuchung eine Verletzung der Muskulatur nicht übersehen wird. Kommt es zu einem Riss oder Teileinriss der Sehnenmuskelplatte um das Schultergelenk, so sind schmerzhafte Schultersyndrome, aber auch ein Kraftverlust im Schultergelenk, möglich. Diese Krafteinbußen sind nicht nur beim kräftigen Werfen oder anderen schweren körperlichen Tätigkeiten spürbar, sondern vielmehr bei alltäglichen Bewegungen wie zum Beispiel das Trinken aus einer Tasse oder das Kämmen der Haare am Hinterkopf.

Sind gewisse Muskelgruppen gerissen, sind zugeordnete Bewegungen im Schultergelenk entweder nur mit Schmerzen und/oder Kraftverlust durchführbar.

Diagnostik

Wie aus der Anatomie und dem funktionellen Zusammenspiel der unterschiedlichen Muskelgruppen erkennbar, ist das Schultergelenk nicht nur in seiner Art der Bewegung, sondern auch in seiner Diagnostik eine Herausforderung.

Der wichtigste Aspekt einer guten Diagnostik eines Schultergelenkes ist vorab das ausführliche Gespräch mit dem Patienten. Es ist wichtig für den Arzt zu verstehen, in welchen Bereichen des funktionellen Spektrums der Patient über Schmerzen klagt und welche Bewegungen den Patienten am meisten invalidisieren.

Auch der initiale Beginn der Schmerzsymptomatik bzw. der Kraftabschwächung ist für den Behandler als Information unumgänglich. Werden die Informationen vom Arzt nicht abgefragt oder nicht richtig zugeordnet, können die angeforderten diagnostischen Untersuchungen auch nur eingeschränkt helfen.

Aussagen zu krankhaften Veränderungen können von MRT und anderen diagnostischen Untersuchungen nur so gut beantwortet werden, hängen von der Qualität der Fragestellung des anfordernden Arztes ab.

Wichtig ist es, Diagnostik und klinische Beurteilung wie ein Mosaik zu sehen. Es ist nicht alleine die MRT-Untersuchung bzw. die CT-Untersuchung, die die Antwort auf ein Schmerzsyndrom des Schultergelenkes gibt. Vielmehr ist es die Kombination aus der Geschichte des Patienten, der Qualität des Schmerzes, der Art und Weise der Verletzung und dem Aktivitätsniveau des Patienten, das einem gemeinsam mit den Untersuchungsmethoden den Weg zu einer erfolgreichen Behandlung eines instabilen Schultergelenkes zeigt.

Behandlung

Ein instabiles Schultergelenk muss sehr differenziert betrachtet werden. So sind Faktoren wie das Alter des Patienten, die Häufigkeit einer stattgefundenen Schulterluxation bis hin zum Aktivitätsniveau entscheidend für die Art der Behandlung. Grundsätzlich bestehen sowohl konservative als auch operative Behandlungsformen.

Die konservativen Behandlungsformen haben als Ziel das Schultergelenk, das primär meistens traumatisch luxiert ist, durch Immobilisation soweit zu stabilisieren, dass das Schultergelenk bei normalen und auch extremen Bewegungen nicht mehr aus der Gelenkspfanne springt. Führt diese immobilisierende und physiotherapeutische Behandlung zum Erfolg, kann das Schultergelenk wieder frei bewegt und belastet werden und es sind keine weiteren Behandlungen mehr notwendig.

Operative Therapiemaßnahmen haben sich seit den 1980er und 1990er Jahren extrem verändert. Seit den 80er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden durch die arthroskopischen Techniken die Behandlungsmöglichkeiten im Schultergelenk elementar verändert. So kann man durch ein arthroskopisches (minimal invasives) Vorgehen am Schultergelenk bei einem Trauma die verletzten Strukturen sehr präzise adressieren, wodurch die Verletzung von den umgebenden Strukturen auf ein minimales Maß reduziert werden kann.

Kontakt und weitere Informationen

Univ. Doz. Dr. Georg Lajtai
Facharzt für Unfallchirurgie & Schulterspezialist
Privatklinik Maria Hilf

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